„Wir sind Mittler im Sinne der Familien“

Dieses Foto zeigt die Verfahrenslotsinnen Anna Schrey und Linda Scherder

Anna Schrey (l.) und Linda Scherder arbeiten als Verfahrenslotsinnen im neuen, städtischen Familienbüro „Ankerpunkt“. (Foto: Stadt Dülmen / Siemes)

Einen erfolgreichen Start hat der „Ankerpunkt“ hingelegt: Das neue Familienbüro in der Coesfelder Straße 37 wird nach Angaben der Stadt sehr gut angenommen. Eltern, Kinder und Jugendliche finden hier seit Anfang Mai Unterstützung bei alltäglichen Anliegen. Mitarbeitende des städtischen Fachbereichs „Jugend und Familie“ helfen ebenso weiter wie lokale und regionale Initiativen, die im Ankerpunkt vertreten sind. Mit dabei sind auch Anna Schrey (28) und Linda Scherder (31): Sie arbeiten als Verfahrenslotsinnen – eine neue, unabhängige Dienstleistung, die Kommunen seit Januar 2024 anbieten. Was es damit auf sich hat und wen die Verfahrenslotsinnen unterstützen, erklären sie im Interview.  

Frage: Der Begriff „Lotse“ kommt aus der Schifffahrt und steht für eine beratende und unterstützende Tätigkeit. Welche Hilfeleistung bietet ihr an?    
Anna Schrey: Als Verfahrenslotsinnen haben wir zwei grundlegende Aufgaben. Zum einen beraten und unterstützen wir junge Menschen bis 26 Jahre mit einer drohenden oder bereits festgestellten Behinderung – und natürlich auch deren Familien. Wie erhält mein Kind einen Reha-Platz und wo beantrage ich diesen? Was muss ich tun, um eine Schulbegleitung zu erhalten? Welche Leistungen und Hilfsangebote stehen mir überhaupt zu? Das sind Fragen, bei denen wir weiterhelfen können. 

Linda Scherder: Hinzu kommt ein weiterer Aufgabenbereich. Ab 2028 sollen die Leistungen der Eingliederungshilfe für Kinder und Jugendliche zusammengelegt und durch die Jugendämter betreut werden. Bislang laufen diese Leistungen noch über viele unterschiedliche Träger, beispielsweise den Landschaftsverband, die Bundesagentur für Arbeit oder die Krankenkassen. Das macht es Betroffenen und deren Familien nicht gerade einfach. Durch die Bündelung soll es ab 2028 nur noch eine Anlaufstelle geben. Genaueres ist jedoch noch nicht bekannt, aktuell wird vom Bund an einem entsprechenden Gesetzentwurf gearbeitet. Wir unterstützen das Jugendamt, um diese geplante Umstellung organisatorisch vorzubereiten. Dabei helfen die Erfahrungen und Wünsche der Eltern enorm weiter.

Frage: Wenn eine Familie oder ein junger Erwachsener zu euch kommt: Wie geht ihr bei der Beratung vor?
Linda Scherder: Wir bieten zunächst ein Erstberatungsgespräch an. Dieses kann im Ankerpunkt oder auch zu Hause bei den Familien stattfinden. In dem Gespräch wird besprochen, wie die aktuelle Situation der ratsuchenden Familie aussieht und welche Unterstützung sich anbietet. Hier gibt es definitiv ein Informationsdefizit: Es gibt beispielsweise Eltern, die nicht wissen, wofür ein Schwerbehindertenausweis ist, obwohl das Kind bereits seit Jahren eine entsprechende Diagnose hat. Das darf nicht sein. Auch bei den unterschiedlichen Pflegegraden gibt es immer wieder Unklarheiten. 

Anna Schrey: Aktuell gibt es noch viele unterschiedliche Zuständigkeiten – die Eltern müssen sich durch einen Dschungel an Information schlagen. Da macht es dann Sinn, eine neutrale Meinung und Beratung einzuholen. Wir unterstützen gerne auch praktisch, wenn beispielsweise Telefonate mit Trägern für eine Reha-Maßnahme geführt werden müssen. Oder wenn Familien Widerspruch gegen eine getroffene Entscheidung einlegen möchten. 

Frage: Als Verfahrenslotsinnen seid ihr Angestellte der Stadt Dülmen. Wie neutral könnt ihr sein?  
Anna Schrey: Die Verfahrenslotsen wurden bewusst als neutrale und unabhängige Stelle eingerichtet. Sie sollen Familien dabei unterstützen, Leistungen durchzusetzen, die ihnen laut Gesetz zustehen. Wir sind also Mittler im Sinne der Familien. Das bedeutet natürlich auch, dass es Spannungen in den Verhandlungen und Gesprächen mit den Trägern der Eingliederungshilfe geben kann. Das gehört zu unserer Arbeit.  

Frage: Die Beratung bietet ihr seid Januar an, es ist also ein relativ neues Angebot. Wie läuft die bisherige Arbeit?  
Linda Scherder: Wir sind sehr zufrieden. Gerade seit Eröffnung des Ankerpunktes hat die Zahl der Beratungen zugenommen. Diese reichen von telefonischen Nachfragen bis hin zu intensiveren Beratungen. Das Angebot spricht sich immer mehr herum. 

Anna Schrey: Jeder Fall hat dabei seine Besonderheiten. Deshalb lernen wir auch mit jeder Familie, die zu uns kommt – und diese Erfahrungen können dann in die weiteren Beratungen und Gespräche mit Trägern der Eingliederungshilfe einfließen. Wir freuen uns über alle ratsuchenden Familien und jungen Menschen, die sich uns anvertrauen. Auch wenn für den jungen Menschen keine Eingliederungshilfeleistungen in Frage kommen, versuchen wir die Person an die passenden Stellen weiterzuvermitteln. Dies können zum Beispiel Selbsthilfegruppen oder Beratungsstellen sein.

Hintergrund
Die Verfahrenslotsinnen unterstützen und beraten als unabhängige Stelle junge Menschen bis 26 Jahren, die wegen einer (drohenden) körperlichen, seelischen und geistigen Behinderung einen möglichen Anspruch auf Eingliederungshilfe haben, sowie deren Mütter und Väter, personensorgeberechtigte und erziehungsberechtigte Personen.

Kontakt
Tel. 02594/12-974 o. 02594 12-970
E-Mail:  verfahrenslotsen(at)duelmen.de 
Öffnungszeiten Ankerpunkt (Coesfelder Straße 37): Di + Do 14 bis 16:30 Uhr; Mi + Do 9 bis 12 Uhr

 

Dieses Foto zeigt die Verfahrenslotsinnen Anna Schrey und Linda Scherder

Anna Schrey (l.) und Linda Scherder arbeiten als Verfahrenslotsinnen im neuen, städtischen Familienbüro „Ankerpunkt“. (Foto: Stadt Dülmen / Siemes)

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